Abstract (deu)
Buddhistische Ansätze finden heute in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen, sowie in therapeutischen Zugängen Anwendung. Dabei wird in den meisten Fällen der Buddhismus nicht als religiöses Glaubenssystem, sondern aufgrund der ihm eigenen epistemologischen Praxis nutzbar gemacht; diese besteht in der vorreflexiven Untersuchung menschlicher Erfahrungen. In meiner Dissertation geht es mir durch eine Verbindung relevanter theoretischer und praktischer Anwendungsgebiete um die Nutzbarmachung buddhistischer Praktiken für die Entwicklungstheorie und –praxis. Es handelt sich somit um eine Theoriarbeit, angefangen von der Ausarbeitung der wissenschaftstheoretischen Fundierung bis hin zur Verknüpfung mit einer entsprechenden Entwicklungstheorie und –strategie.
In meinen wissenschaftstheoretischen Annahmen stütze ich mich auf den „Enaktivismus“, einem Theorieansatz innerhalb der Kognitionswissenschaften, welcher sich im Dialog mit der buddhistischen Philosophie entwickelt hat. Wissen und Bedeutungen werden dem zufolge durch Interaktionen zwischen Lebewesen und Umwelt hergestellt. An dieser Wissensproduktion ist unsere gesamte kognitive Ausstattung – also auch körperliche physiochemische Funktionen – beteiligt. Durch eine Kombination des enaktivistischen Ansatzes mit der Positioning Theory entwickle ich eine Methodik, welche körperliche und diskursive Mechanismen der Konstruktion von Bedeutungen berücksichtigt. Auf beiden Ebenen können Bedeutungen gezielt geändert werden: Buddhistische Techniken zielen vor allem auf die Bewusstmachung körperlicher Interpretationsmuster ab, um deren Einfluss auf unser bewusstes Denken zu beschränken.
Einige meditative Praktiken dienen darüber hinaus dazu, Einstellungen und somatische Dispositionen gezielt zu kultivieren, welche Offenheit und Empathie fördern. Moderne achtsamkeitsbasierte Therapiemethoden, sowie die „community economies“-Projekte der Wirtschaftsgeografinnen J.K. Gibson-Graham, liefern Hinweise, wie solche Techniken auch für Entwicklungsprojekte nutzbar gemacht werden können: Ziel ist nicht ein zu erreichendes (Entwicklungs-)Ideal, sondern die Aneignung einer bewährten Grundhaltung. Dass diese Entwicklungsstrategie nicht nur die Lebensrealität der jeweiligen Gemeinschaften ändert, sondern durch Interaktionen mit externen Akteuren auch gesellschaftlich wirksam ist, zeige ich vor allem im letzten Kapitel auf.