Abstract (deu)
Global zunehmende Urbanisierungsprozesse verändern die Landschaft und damit die Zusammensetzung der Artenvielfalt in den betroffenen Gebieten. Der Turmfalke (Falco tinnunculus L., 1758) ist der häufigste Greifvogel in Wien (415 km2, 1,8 Mio. Einwohner) und als Kulturfolger spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderst bekannt. Während seiner Brutsaison besiedelt er die österreichische Hauptstadt mit 89-122 Brutpaaren/100 km2. Diese Dichte ist die höchste, die die Spezies im innereuropäischen Vergleich erreicht. Im Gegensatz zu ihren Artgenossen im Umland, die auf die Jagd von Wühlmäusen spezialisiert sind, ernähren sich städtische Turmfalken generalistisch: Kleinsäuger und –vögel machen die Hauptkategorien der Nahrung aus, aber auch Reptilien und Insekten werden erbeutet. In der vorliegenden Studie wurde der Zusammenhang zwischen der alternativen Ernährungsform und dem herabgesetzten Bruterfolg im urbanen Lebensraum untersucht. Ein hoher Vogelanteil in der Nahrung der Turmfalken wirkte sich tendetiell negativ auf das Überleben der Nestlinge aus, allerdings erzielten andere Einflussfaktoren deutlichere Erklärungswerte. Allen voran schienen lokale Wetterverhältnisse, gemessen als Regen- und Temperaturparameter, maßgeblich für den Reproduktionserfolg verantwortlich zu sein. Milde und niederschlagsarme Winter, eine trockene Balzzeit und warme Temperaturen während der Nestlingsphase führten zu erhöhtem Bruterfolg. Einen signifikant positiven Einfluss auf die Gelegegröße und die Anzahl der ausgeflogenen Jungen hatte außerdem ein möglichst frühes Gelegedatum. Auf die Verfügbarkeit von Kleinsäugern als Beute wirkten sich milde Winter und eine trockene Balzzeit förderlich aus, ebenso mehr Niederschlag während Inkubation und Nestlingszeit. Ein erhöhter Anteil an Kleinvögeln in der Nahrung wurde nach feuchten Wintern und Balzzeiten, sowie bei trockenen Inkubations- und vergleichweise warmen Nestlingsperioden gefunden. Unsere Ergebnisse zeigen an, dass die vorherrschenden Wetterverhältnisse einen bedeutenderen Einfluss auf den Bruterfolg der Wiener Turmfalkenpopulation haben, als die alternative Nahrungszusammensetzung in der Stadt. Allerdings scheint der Zusammenhang äußerst komplex zu sein und auch indirekte Effekte, wie etwa der Einfluss des Wetters auf die Beuteverfügbarkeit und das Gelegedatum, müssen berücksichtigt werden. Eine Langzeitstudie im vorliegenden System wird daher u.a. zur weiteren Erforschung dieses Interaktionsgefüges stark empfohlen.