Abstract (deu)
Die Klinik der Solidarität in Thessaloniki (Griechenland) bietet Menschen, denen der Zugang zu einer ausreichenden Gesundheitsversorgung verwehrt bleibt, kostenlos medizinische Behandlung an. Zugleich verfolgt sie das Ziel, politische Veränderungen zu bewirken, um somit eine umfassende öffentliche Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Wie die Klinik dieses Ziel verfolgt und wie erfolgreich sie damit ist, ist Gegenstand der Untersuchung. Das Kernstück der Arbeit stellt die Auswertung von Leitfadeninterviews dar, die im Sommer 2014 mit Mitarbeiter_innen sowie Patient_innen der Klinik durchgeführt wurden.
Um den politökonomischen Kontext der Klinik darzulegen, werden die Ursachen der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die Folgen der Sparpolitik für die Gesundheitsversorgung in Griechenland ausgearbeitet. Um Möglichkeiten der Politisierung der Patient_innen fassbar zu machen, wird der Ideologiebegriff im Sinne der marxistischen Theoriebildung umrissen und um Gramscis Überlegungen zu Hegemonie und Alltagsverstand ergänzt; mit Theorien der Kritischen Psychologie zu Handlungsfähigkeit wird untersucht, welche Bedingungen eine Veränderung des Alltagsverstandes begünstigen. Mit Theorien zu solidarischer Ökonomie wird fassbar gemacht, welche Perspektiven der gesamtgesellschaftlichen Veränderung sich für die Klinik der Solidarität ergeben.
Die Auswertung der Interviews legt dar, mit welchen Strategien die Klinik versucht, die Patient_innen zu politisieren und in die Organisation der Klinik einzubinden. Ebenfalls wird diskutiert, mit welchen Mitteln die Klinik Machtverhältnisse zwischen Ärzt_innen und Patient_innen abbauen möchte. Die Arbeit kommt zum Schluss, dass die Klinik über ein beachtliches Potential verfügt, mit Menschen in politischen Kontakt zu kommen. Die Politisierung und Organisierung der Patient_innen gelingt insgesamt jedoch nur in eingeschränktem Maße. Die Klinik plant mit verschiedenen vielversprechenden Projekten, eine intensivere Einbindung der Patient_innen zu ermöglichen.