Abstract (deu)
Durch die Prozesse der Globalisierung und der weltweiten Wanderung von Menschen ge-winnt auch Mehrsprachigkeit zunehmend an Bedeutung. Menschen bewegen sich von einem sozialen und kulturellen Kontext in einen anderen. Sprache spielt eine wichtige Rolle dafür, ob sie sich in der neuen Umgebung behaupten können. Diese Studie betrachtet einerseits die Flexibilität und Wandelbarkeit individueller Mehrsprachigkeit und fragt andererseits nach den Gründen für diese Veränderungen des Sprachengebrauchs. Dabei wird (1) ein theoretischer Zugang zu einem dynamischen Konzept von Mehrsprachigkeit und Sprachpraxis entwickelt, der u.a. auf Modellen von Jessner und Herdina, Aronin und Ó Laoire, MacIntyre und Dörnyei aufbaut. (2) Anhand von vier Fallbeispielen in Wien lebender Personen wird empirisch unter-sucht, wie und wodurch es dazu kommt, dass Menschen mehr und mehr beginnen, Deutsch zu sprechen. Gemeinsam ist den vier untersuchten Fällen, dass alle Englisch vor Deutsch gelernt haben. Die Beherrschung der Weltsprache Englisch schaltet großteils den strukturellen Zwang aus, die Landessprache zu erwerben. Die empirischen Ergebnisse zeigen aber, dass persönli-che und zwischenmenschliche Faktoren besonders nach längerem Aufenthalt in Österreich durch die fortschreitende Integration in die lokale Gesellschaft und durch die Entwicklung von Zukunftsperspektiven in diesem Land wichtige Motivationen für das Erlernen der Deut-schen Sprache bieten. In Anbetracht der engen Verknüpfung von Integration und Spracher-werb im politischen Diskurs in Österreich stellen diese Ergebnisse infrage, ob ein Zwang, die Sprache vor der Zuwanderung lernen zu müssen, zielführend für die Integration der österrei-chischen Gesellschaft ist. Im Gegensatz dazu scheint eine integrierende Gesellschaft, die Neuankömmlingen individuelle Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten der Zukunftsgestal-tung bietet, ein wichtiger Motor für eine gemeinsame Sprache zu sein.