Abstract (deu)
Die sogenannten Konverbkonstruktionen (oder Hilfsverbverbindungen) sind ein allgegenwärtiges Phänomen in der marischen Sprache – einer uralischen Sprache, die zwischen der Wolga und dem Uralgebirge gesprochen wird. In Konstruktionen dieser Art bilden zwei Verben eine Einheit: eine infinite (gerundiale/konverbiale) Form und ein frei konjugierbares Hilfsverb. In diesen Paarunen bildet die syntaktisch subordinierte infinite Form oftmals den lexikalischen Kern der Paarung, während das syntaktisch superordinierte Hilfsverb der Paarung nur einen grammatikalischen Wert schenkt. Diese Werte können aspektueller Natur (jöraten šə̑ndaš ‘(wört.) liebend stellen’ > ‘sich verlieben’), direktionaler Natur (č́oŋešten kajaš ‘(wört.) fliegend weggehen’ > ‘wegfliegen’) oder benefaktivischer Natur (umə̑ltaren puaš ‘(wört.) erklärend geben’ > ‘(etwas) jemandem erklären’) sein.
Es ist zwar seit jeher bekannt, dass diese ursprünglich türkischen Strukturen durch den intensiven Kontakt mit den Turksprachen des Wolgagebiets – in erster Linie Tschuwaschisch und Tatarisch und ihre jeweiligen Vorformen – in der marischen Sprache Fuß gefasst haben. Bis dato hat es aber keine befriedigenden Erklärungen gegeben zum Stand der Grammatikalisierung dieser Strukturen, zu den Funktionen der einzelnen Hilfsverben, zu der dialektalen Distribution einzelner Paarungen, etc. Diese Dissertation stellt einen Versuch dar, diese Situation zu verbessern: mithilfe einer eigens für dieses Unternehmen entwickelten Korpusinfrastruktur wurde versucht, das Verhalten einzelner Hilfsverben klarzustellen; ihre dialektale Verteilung wurde mit der Verteilung einzelner Konverbkonstrukionen in den relevanten Kontaktsprachen verglichen. Auf diese Weise wurde ein klareres Bild zur Realisierung verschiedener semantischer Kategorien (Aspekt, Direktionalität, Benefaktiv) im Marischen erstellt, und neues Material zur Erforschung der historischen Kontaktsituation zwischen den verschiedenen Sprachen des polyethnischen Wolgabeckens erzeugt.