Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Frauen im italienischen Linksterrorismus der 1970er Jahre aus geschlechterhistorischer Perspektive. Der Fokus der Untersuchung liegt dabei auf den lebensgeschichtlichen Erinnerungen von weiblichen Mitgliedern linksterroristischer Organisationen. Zunächst wird dargestellt, dass Frauen, die in den 1970er Jahren in Italien zu politischer Gewalt griffen, einem von Medien und Wissenschaften kreierten und realitätsfernen Mythos unterworfen sind. Demzufolge wurden Frauen, die an gewalttätigen Anschlägen beteiligt waren, beispielsweise private anstatt politische Motivationen für ihre Entscheidung zugeschrieben oder ihre Beteiligung in direktem Zusammenhang mit der Frauenbewegung gesetzt. Um diesen Mythos, der sich aus genderstereotypen Vorstellungen von Weiblichkeit und politischer Gewaltanwendung zusammensetzt, zu dekonstruieren, werden die Selbstzeugnisse danach befragt, inwiefern die von außen aufoktroyierten geschlechterstereotypen Rollenzuschreibungen und Geschlechterbilder innerhalb der italienischen linksterroristischen Untergrundorganisationen der 1970er Jahre wirksam blieben oder überwunden wurden. Die vorliegenden Egodokumente zeigen, dass die Motive, sich einer linksterroristischen Organisation anzuschließen, weniger im privaten Bereich anzusiedeln sind, sondern vielmehr als eine Radikalisierung des eigenen politischen Engagements zu deuten sind. Hinsichtlich etwaiger Zusammenhänge zwischen Feminismus und Terrorismus lässt sich konstatieren, dass politische Thematiken der Frauenbewegung aus ideologischen und logistischen Gründen von linksterroristischen Gruppierungen nur selten aufgegriffen wurden. Neben vereinzelten persönlichen Emanzipationsbestrebungen von Frauen, zeigt sich, dass genderstereotype Rollenzuschreibungen und Geschlechterbilder durchaus in den linksterroristischen Organisationen existierten. Dies wird in der Arbeit darauf zurückgeführt, dass Mitglieder terroristischer Organisationen Teil einer Gesellschaft sind, die diese Mythen hervorbringt und konstruiert. Genderstereotype Rollenverteilungen wurden allerdings auch teilweise überwunden oder strategisch genutzt, um sich dem Verdacht, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, zu entziehen.