Abstract (deu)
Die deutsche Intervention im Spanischen Bürgerkrieg stellt aufgrund der daraus resultierenden Jahrzehnte faschistischer Diktatur unter Franco ein stark kontroverses Kapitel spanischer Erinnerungsgeschichte dar, welches bis dato noch nicht aus kulturwissenschaftlicher Perspektive untersucht wurde.
Durch den Sieg des nationalistischen Lagers wurde während der Jahre der Diktatur nur der Erinnerungsdiskurs der Sieger propagiert, welcher bis zum Tod Francisco Francos das kollektive Gedächtnis der Spanier einseitig prägte. Dieser Umstand ermöglichte es dem deutschen Geschäftsmann Johannes Bernhardt als Drahtzieher Hitlers militärischer Unterstützung zugunsten Francos in die spanische Geschichtsschreibung einzugehen und einen angesehenen Platz im Siegergedächtnis der Nation zu erlangen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges genoss Bernhardt als hochrangigster SS-Offizier Spaniens bis zum Tod Francos dessen Protektion und Freundschaft.
Spanien stellt innerhalb Europas in vielerlei Hinsicht einen erinnerungsgeschichtlichen Sonderfall dar, da Verlierer- und Siegergedächtnis durch den jahrzehntelang herrschenden Faschismus invertiert waren: Die Erinnerungsgeschichte Spaniens unterscheidet sich erheblich von der Erfahrung anderer Europäer, da Jahre repressiver Diktatur nur einseitiges Verarbeiten der Vergangenheit und des Kriegstraumas als Siegergedächtnis der Anhänger Francos zuließen. Darüber hinaus geriet das Land durch den Sieg des nationalistischen Lagers weltweit in politische Isolation, die erst nach dem Tod des Diktators graduell aufbrach.
Der gegenwärtige Erinnerungsdiskurs Spaniens steht hingegen im Zeichen der kollektiven Vergangenheitsbewältigung, da das kommunikative Gedächtnis einer aussterbenden Generation von Zeitzeugen im Begriff ist, durch das kulturelle Gedächtnis eines öffentlichen Diskurses ersetzt zu werden. Aufgrund revisionistischer Tendenzen in der spanischen Erinnerungsgeschichte wird nun, Jahrzehnte nach dem Ende des nationalen Konflikts, auch ein überarbeitetes Bernhardt-Bild vermittelt, wodurch die einst als heldenhaft rezipierten Taten der Vergangenheit aus gänzlich neuen Perspektiven beleuchtet werden.
Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens werden anhand einer Analyse diverser medialer Inszenierungen der historischen Persönlichkeit Johannes Bernhardt mentalitätsgeschichtliche Veränderungen im Erinnerungsdiskurs Spaniens aufgezeigt und dadurch veranschaulicht, wie sich das Bernhardt-Bild im Laufe der letzten 80 Jahre von einer positiv konnotierten Heldendarstellung in das Portrait eines Bösewichts gewandelt hat. Durch eine methodische Kombination aus Literatur- und Geschichtswissenschaften sowie gedächtnistheoretischen Ansätzen werden etablierte (Macht-)Diskurse hinterfragt, um Kontinuitäten und mögliche Brüche im kollektiven Gedächtnis Spaniens aufzudecken, die vonseiten der ereignisgeschichtlichen Historiographie nicht erfasst wurden.