Abstract (deu)
Diese Diplomarbeit analysiert ausgewählte Untersuchungen zum „Wienerischen“, die drei linguistischen Paradigmen zugeordnet werden können: der traditionellen philologischen Dialektologie, der korrelativen Soziolinguistik und der konstruktivistisch-interaktionalen Soziolinguistik. Diese Denkschulen definieren den „Wiener Dialekt“ unterschiedlich und ihre Thesen sind oftmals von den jeweils herrschenden philosophischen, wissenschaftspolitischen und ideologischen Narrativen geprägt. Weil völkisch eingestellte Autoren der traditionellen philologischen Dialektologie wie Steinhauser und Kranzmayer der Überzeugung waren, dass es das „echte“ Wienerisch gibt, empfanden sie dessen Veränderungen mehrheitlich als einen Eingriff in die sprachliche Integrität. Empirisch orientierte Forscher_innen der korrelativen Soziolinguistik wie Dressler, Wodak, Wiesinger und Moosmüller weisen mehrheitlich keine eindeutige affektive Bindung an das Wienerische auf und betonten ihre Objektivitätsbestrebungen. Sie sehen aber gleichzeitig die Entwicklung der deutschen Sprache in Wien als ein Abbild der Klassenunterschiede, was auf den Einfluss der kritischen Schule zurückgeführt werden kann. Konstruktivistische Dialektforscher wie Glauninger und Breuer hingegen betrachten das „Wienerische“, in Abgrenzung zur Standardsprache, als eine Gesamtheit aller Varietäten der in Wien präsenten deutschen Sprache, welche auch als „Wienerisch“ empfunden werden. Die Spracheinstellungen spielen somit auch in der konstruktivistischen wie in der korrelativen Soziolinguistik eine Rolle. Diese dienen jedoch im Konstruktivismus der Definition der Wiener Sprache per se, was den Begriff Wienerisch viel fluider macht. Der Dialekt ist somit keine „Sprache der Unterschicht“, sondern wird als ein pragmatisch potenziertes kommunikatives Mittel gesehen, aber auch gleichzeitig als ein soziales Konstrukt.