Abstract (deu)
Die moderne Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ist ganz wesentlich vom Einfluss der
Massenmedien auf Menschen und Institutionen geprägt. Bereits kleine Kinder kommen mit einem Pluralismus an medialen Angeboten in Berührung, und damit auch mit deren Botschaften. Besonders die Werbewirtschaft hat ein großes Interesse daran, junge Konsument_innen zu erreichen, da Kinder trotz fehlenden Einkommens als kaufkräftige Zielgruppe angesehen werden. Sie verfügen nicht nur über Taschengeld, das sie gerne für Konsumartikel ausgeben, sondern beeinflussen auch elterliche Kaufentscheidungen wesentlich. Innerhalb der letzten Jahrzehnte kam es durch den Anstieg des Gender Advertisings und gezielt geschlechterspezifischer Marketingstrategien vermehrt zur Ausdifferenzierung der Zielgruppe ‚Kind’ in getrennte Produktwelten für Mädchen* und Buben*.
Dabei bedienen sich Werbetreibende großteils an Geschlechterstereotypen, die Heranwachsenden starre Symboliken von Weiblichkeit* und Männlichkeit* übermitteln, welche sich nachhaltig in das Unbewusstsein der Kinder einprägen (können). Während Mädchen* schon in jungen Jahren in eine rosafarbene Prinzessinnenwelt mit Puppenküchen und Schminksets eintauchen sollen, finden sich Buben* in einer Sphäre wieder, die sie Superhelden sein lässt, Piraten oder Astronauten. Häuslichkeit steht Abenteuern gegenüber. Mädchen* wachsen in eine Geschlechterrolle hinein, die ihnen vermittelt, sie müssten schön sein, sich als Erwachsene um ihr Aussehen, Haushalt und Kinder kümmern. Die Erwartungshaltung, die dem männlichen Geschlecht entgegengebracht wird, ist hingegen eine ganz andere: Jungen sollen stark sein, nach Möglichkeit wenig Gefühle zeigen und zu Männern in mächtigen beruflichen Positionen heranwachsen.
Diese oder ähnliche Informationen entnehmen Kinder täglich ihrer Umwelt, wodurch sie sich häufig an die vorherrschenden Rollenbilder adaptieren. Infolge dessen werden sie in ihren Interessen und Begabungen eingeschränkt – wer sich nicht an die gesellschaftlichen Normen anpasst, muss mit Ausgrenzung und Herabwürdigung rechnen. Besonders jene Kinder, die sich nicht dem System der Zweigeschlechtlichkeit unterordnen wollen oder können, finden so nur sehr schwer ihren Platz in der Gesellschaft. In dieser Magisterarbeit werden verschiedene Sozialisationstheorien vorgestellt, die – vor dem Hintergrund des ‚Doing Gender’ – die kulturelle Aneignung von Geschlechterrollen erklären sollen. Hierbei wird unter anderem auf den Ansatz des Modelllernens, die Habitus- Feld-Theorie Pierre Bourdieus und kommunikationswissenschaftliche Spezifika der Wirkungsweisen von Werbung eingegangen. Mittels empirischer Forschung wird die zentrale Frage nach den Auswirkungen geschlechterspezifischer Werbespots auf die Identitätsentwicklung und das Rollenverständnis junger Rezipient_innen untersucht.
Mit der Methodentriangulation von Befragung und Beobachtung soll der Grad an Stereotypisierung von Kindergarten- und Schulkindern im städtischen Raum und am Land erhoben werden. Dazu werden ihnen vor und nach der Rezeption von zwei geschlechterstereotypen und einem ‚neutralen’ Kinderwerbespot Fragen gestellt. Die Auswertung der Ergebnisse bringt diesbezüglich interessante Erkenntnisse hervor, so ist der verhältnismäßig beliebteste Werbespot der Teilnehmenden jener, der keine ersichtlichen Rollenzuschreibungen überliefert. Eine als besonders lustig empfundene Werbung kommt bei jungen Rezipient_innen offenbar dermaßen gut an, dass zuvor existierende Geschlechterklischees - zumindest für den Moment - außer Acht gelassen werden.
Die Untersuchung hat allerdings auch ein deutliches Stadt-Land-Gefälle ergeben, wonach Kinder, die in ländlichen Lebensräumen aufwachsen, stärker stereotypisiert sind, als Stadtkinder. Insbesondere berufliche Vorstellungen weichen hier stark voneinander ab, vor dem Hintergrund, dass sich vor allem Buben am Land sehr stark an ihren Vätern orientieren und hier offenbar schon früh eine Tradierung von Werten und Vorstellungen stattfindet. Die Sozialisation von Kindern ist aber dennoch maßgeblich von Massenmedien geprägt und erfolgt längst nicht mehr nur innerhalb der Familie. Werbemacher_innen, (Medien-)Pädagog_innen und Erziehungsberechtigte sind daher gleichermaßen in der Verantwortung, der Vermittlung traditioneller Rollenbilder entgegenzuwirken und Kindern eine möglichst freie Entwicklung zu ermöglichen.