Abstract (deu)
Moralische Verantwortung ist eine vorherrschende Annahme in westlichen Gesellschaften. Neben der philosophischen Forschung haben sich nur wenige Studien mit der Wahrnehmung moralischer Verantwortung beschäftigt. Um die Lücke zu schließen, führten Cappelen et al. (2016) ein ökonomisches Experiment durch, bei dem sie die Wahrnehmung von Mindestkriterien welche Entscheidung erfüllen muss um als moralisch relevant zu gelten, die Kausalität der Entscheidung und das Vorhandensein akzeptabler Alternativen, unter Verwendung eines Umverteilunsszenarios untersuchten. Ihr Hauptergebnis war, dass die verteilenden Personen weniger zwischen anderen Teilnehmer/innen umverteilten, wenn letztere vorher vor einer Entscheidung standen, obwohl diese Entscheidungen nicht den Mindestkriterien entsprachen. Darüber hinaus zeigten sie, dass die linken Wähler/innen eher dazu bereit sind, Ungleichheiten abzubauen. Die vorliegende vignettenbasierte Replikationsstudie passte das Forschungsparadigma von Cappelen et al. (2016) an und untersuchte eine/n (nicht betroffene/n) Dritte/n, welche/r Ressourcen zwischen zwei fiktiven Untersuchungsteilnehmer/innen umverteilte. In den Szenarien wurde durch eine Lotterie Ungleichheit geschaffen, wobei der/die Dritte in der Lage war, diese Ungleichheit zu reduzieren oder gar Gleichheit herzustellen. Um einen breiteren Einblick zu erhalten, wer mehr oder weniger verteilt, wurde die Replikation erweitert und neben der politische Zugehörigkeit, die Einstellung zu Steuern und Gier erhoben. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass eine nicht adäquate Alternative (d.h. eine geringe Auszahlung anstelle einer Lotterieteilnahme) immer noch als ädaquat angesehen wird. Entscheidungen, die ein Ergebnis nicht kausal beeinflussen, werden nicht als relevant angesehen (z.B. die Vorhersage von Kopf oder Zahl bei einem Münzwurf). Politischen Präferenzen, die Steuermoral und die dispositionelle Gier haben dabei keinen Einfluss auf die oben genannten Effekte. Die Ergebnisse von Cappelen et al. (2016) konnten nicht vollständig repliziert werden. Wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Studien werden diskutiert.