Abstract (deu)
Der Ausgangspunkt dieser Masterarbeit bestand in der Beobachtung von sich intensivierender sozialer Ungleichheit in Städten, deren Manifestation u.a. in Verschärfungen auf den Wohnungsmärkten evident wird. Urbane Wohnungsmärkte geraten einerseits durch die steigende Urbanisierung in der gegenwärtigen Gesellschaft sowie andererseits durch die Tendenz zur Neoliberalisierung des städtischen Lebens zunehmend unter Druck. Da derartige Phänomene in der Zukunft fortbestehen bzw. sich noch intensivieren werden, ist die Beforschung dieses Themen-komplexes von äußerster soziologischer Relevanz. Das Verständnis für Dynamiken, welche hier im Hintergrund wirken ist essentiell, um fragwürdigen gesellschaftlichen Entwicklungen wie beispielsweise zunehmender sozioökonomischer Polarisierung in urbanen Räumen entweder vorzubeugen oder sie zu reduzieren. Das Ziel der vorliegenden Masterarbeit besteht in der Leistung eines Beitrages zu diesem Forschungsfeld mittels der Durchführung einer auf die Stadt Wien ausgerichteten Fallstudie zur Untersuchung der Auswirkungen steigender Wohnkosten auf dem privaten Mietwohnungssektor auf die Lebensqualität von Personen, welche über eine neue Wohnsituation in diesem Wohnsegment verfügen. Ergänzend berücksichtigt wurden so-wohl die Rolle, welche der Arbeitsmarktintegration der Personen in diesem Kontext zukommt, sowie die Besonderheiten des Wiener Wohnungsmarktes. Am Beginn der Annäherung an das Thema stand die Entwicklung eines umfangreichen theoretischen Rahmens für die Fundierung der erhobenen Ergebnisse. Da Städte als inhärent räumliche Phänomene zu verstehen sind, besteht die theoretische Basis zunächst aus raumsoziologischen Reflexionen. Weitere in der Fundierung inkludierte Bausteine bestehen aus David Harveys (2007) Auffassung von Neoliberalisierung sowie Ausführungen über Konzepte wie Leistbarkeit von Wohnraum (im Englischen „housing affordability“) oder Lebensqualität. In Bezug auf das Thema der Lebensqualität wurden multiple Dimensionen und Komponenten berücksichtigt, welche Relevanz für Lebensqualität aufweisen, wie das infrastrukturelle Angebot in der jeweiligen Nachbarschaft, der Zugang zu sozialen Kontakten oder die Individualität in der Wahrnehmung von Lebensqualität. Für die theoretische Fundierung der zwei ergänzenden Themen der Rolle der Arbeitsmarktintegration aus einer biographischen Perspektive sowie der Besonderheiten des Wiener Wohnungsmarktes wurde je ein Teilkapitel inkludiert. Der methodologische Zugang besteht in einem explorativ qualitativen Vorgehen. Die Datenerhebung erfolgte mittels teilstrukturierter episodischer Leitfadeninterviews nach Flick (1995), da diese Methode einen tiefgehenden sowie authentischen Einblick in die Auswirkungen der eingangs beschriebenen Dynamiken auf die Zielgruppe ermöglicht. So wird diese zu Themen ihres alltäglichen Lebens befragt. Die Stichprobe besteht aus 15 Haushalten, welche die zwei Kriterien der neuen Wohnsituation in Wiens privatem Wohnsegment erfüllen. Bei der Akquise wurde darauf geachtet, eine hohe Bandbreite an Merkmalen zu berücksichtigen, wie z.B. unterschiedliche Haushaltskonstellationen oder diverse Wohnstandorte innerhalb Wiens, um ein umfangreiches und kontrastierendes Datenkorpus zu generieren, welches als Anregung für weitere Forschung dienen kann. Das Datenmaterial wurde mit der Methode der Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet, welche es erlaubt, pragmatisch in Bezug auf das Forschungsinteresse vorzugehen. Um einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse zu geben, ist zunächst die Tatsache anzuerkennen, nach welcher die Neoliberalisierung und die damit einhergehende Verschärfung auf dem Wohnungsmarkt zweifelsohne auch Wien erreicht hat. Aufgrund der Hegemonie der Wie-ner SPÖ, welche für beinahe ein Jahrhundert kontinuierlich die Stadtregierung gestellt hat und die Essentialität von leistbarem Wohnraum für die Bevölkerung anerkennt, manifestieren sich die Auswirkungen der Neoliberalisierung in Wien bislang nur in begrenztem Ausmaß. Durch diesen nur moderaten Anstieg des allgemeinen Mietpreisniveaus waren alle in der Stichprobe inkludierten Personen in der Lage, sich eine adäquate Wohnsituation zu leisten. Außerdem nahmen sie die Lebensqualität in Wien als sehr hoch wahr. Beides traf auch auf Interview-Partner*innen zu, welche mit einer prekären finanziellen Situation konfrontiert waren, sofern sie Strategien zur Minimierung ihrer Ausgaben verfolgten, wie z.B. das Wohnen in Wohngemeinschaften. Die hohe Wertschätzung der Wiener Lebensqualität spiegelt die Ergebnisse der Lebensqualitäts-Studie des Economist Intelligence Unit (2022) wider, in welcher Wien der Status als Stadt mit der höchsten Lebensqualität weltweit deklariert wurde. Da residentielle Segregation in Wien bislang ebenso nur ein minimales Problem darstellt, besteht ein zentrales Ergebnis in der Beobachtung, nach welcher der tatsächliche Wohnstandort keine fundamentalen Auswirkungen auf die Verwirklichung hoher individueller Lebensqualität nimmt. Hier ist jedoch die finanzielle Situierung von essentieller Bedeutung, welche inhärent mit der Art der Arbeitsmarktintegration verknüpft ist. Um auf die Wiener Stadtregierung zurückzukommen, ist auf deren Verantwortung für einen umfangreichen Bestand an sozialem Wohnraum, welcher über ganz Wien verteilt ist und zu speziellen Kriterien verfügbar ist, zu verweisen. Diesen Kriterien sowie dem betreffenden Angebot an Informationen standen einige Interview-Partner jedoch kritisch gegenüber, da relevante Informationen in einer verwirrenden Weise von der Stadt Wien dargeboten wurden. Weiters waren abschreckende Kriterien auszumachen, wie z.B. jahrelange Wartezeiten. Hier ist der Umstand anzumerken, nach welchem derartigen abschreckenden Rahmenbedingungen evtl. das Potential innewohnt, das Ansehen der Wiener SPÖ schwächen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Verschärfung sozialer Ungleichheit sowie ein steigendes Mietpreisniveau auch im Falle Wiens auszumachen ist. Aufgrund der kontinuierlichen politischen Vorherrschaft der SPÖ zeichnet sich der private Mietwohnungssektor im Vergleich zu anderen Städten jedoch durch eine nach wie vor gegebene hohe Leistbarkeit aus. Dar-über hinaus kann die Wiener Lebensqualität als außergewöhnlich hoch beurteilt werden. In diesem Kontext ist es essentiell, ein Bewusstsein für die Fragilität politischer Verhältnisse zu entwickeln. Die Wahrnehmung des demokratischen Wahlrechts stellt hier einen wichtigen Aspekt dar, um wünschenswerte politische Konstellationen auch in der Zukunft zu konservieren. Weiters ist es von hoher Wichtigkeit, das Wiener Fallbeispiel als Prototyp einer sozialen Wohnpolitik zu erhalten. Damit kann es als Vorbild für andere Städte weltweit dienen, um die fortschreitende Neoliberalisierung zu reduzieren und die Emergenz einer hohen Lebensqualität für die gesamte Bevölkerung in Städten weltweit anzuregen zwecks Vorbeugung sozioökonomischer Polarisierung und Stimulation einer Entwicklung der Gesellschaft in eine wünschenswerte Richtung.